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Die Erhöhung eines zivilisatorischen Standards

Ein Land ohne Todesstrafe besitzt einen hören zivilisatorischen Standard als ein Land mit Todesstrafe. Eine Nation in der nicht mehr gefoltert wird, hat einen hören zivilisatorischen Standard erreicht als ein Land, in dem Träger staatlicher Gewalt menschlichen Personen vorsätzlich körperliche oder geistig-seelische Schmerzen zufügen, etwa um sie einzuschüchtern, zu bestrafen oder um eine Aussage zu erpressen. Mit Blick auf diese beiden Kriterien kann man jetzt zum Beispiel ganz konkret sagen, dass China, der Iran, oder die USA einen niedrigeren zivilisatorischen Standard besitzen, als etwa Deutschland oder die anderen 96 Länder auf der Welt, die die Todesstrafe bereits vollständig abgeschafft haben. China, der Iran und die USA haben auch einen niedrigeren Standard als die Länder, in denen nicht mehr gefoltert wird. Den „Grad an Zivilisiertheit“, um den es mir hier geht, kann man aber auch daran messen, wie ein Land mit Tieren umgeht, also mit nicht-menschlichen, leidensfähigen Subjekten. Ein weiterer Indikator ist, wie sehr es die Interessen zukünftiger, also noch nicht geborener Menschen und Tiere, in ethische, rechtliche und politische Diskussionen mit einbezieht. Auch die Wahrung der Menschenrechte, Friedfertigkeit und Konfliktfähigkeit oder die Ausgaben, die ein Wohlfahrtsstaat tätigt, um all seinen Bürgern den Zugang zu Bildung, Erziehung, Gesundheit und soziale Sicherung zu ermöglichen, sind gute Beispiele dafür, was ich hier mit „zivilisatorischem Standard“ meine und was über den blossen ökonomischen Status hinausgeht. Genau wie die tatsächliche Realisierung der freiheitlichen Grundwerte einer Demokratie, ist ein bereits erreichter zivilisatorischer Standard übrigens etwas, hinter das man jederzeit und immer wieder zurückfallen kann. Gleichzeitig ist es aber auch etwas, das man systematisch erhöhen kann.

Thomas Metzinger, Der Ego-Tunnel, S.361 f.

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